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Über das finden
von Nicht-Schwammerln

Die essentiellen Wesensmerkmale eines Nicht-Ens

Ein misosophischer Aufsatz

Es war ein außergewöhnlich heißer Sommer. Das heißt, außergewöhnlich war er nur, wenn man die Klimaerwärmung nicht in Betracht zieht, sonst wäre es lediglich ein außergewöhnlich warmer Sommer gewesen. Wie auch immer, seit Wochen war praktisch kein Regen gefallen, der Boden der Wälder war trocken wie der Sand der Sahara, Tage um 35 Grad waren eher die Regel als die Ausnahme. Die an sich nicht besonders überraschende Folge dieser Bedingungen war, dass selbst die erfahrensten Schwammerlsucher* kein einziges Exemplar ihres Objektes der Begierde finden konnten. Der Wald war leer hinsichtlich Schwammerl. Genau deshalb sollte er eigentlich voll von Nicht- Schwammerln sein.

 

Auf Basis dieser Überlegung müsste sich nun jeder vernünftige Philosoph mit den grundsätzlich doch so wichtigen Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Schwammerl zu Nicht-Schwammerln beschäftigen. Ist oder war der Wald tatsächlich, da leer von Schwammerln, voll von Nicht-Schwammerln? Oder, einfacher ausgedrückt, bedingt die Nicht-Existenz eines Ens** die Existenz eines Nicht-Ens? Und vor allem, wie würde so ein Nicht-Ens im Vergleich zu seinem Ens aussehen? Das heißt also, dass der Philosoph sofort analysieren muss, wie die reziprok-konstruktivistische Sicht des Nicht-Ens seine Eigenschaften voraussagt, im gegebenen Fall etwa, ob es giftige bzw. essbare Nicht-Entes gibt. Das Gegenstück des Grünen Knollenblätterpilzes, z.B., wäre ein köstlicher Speisepilz, wobei aber, wie jeder Sophist gerne bestätigen würde, es unklar bleibt, ob es sich nicht bei diesem Nicht-Ens-Gegenüber des Grünen Knollenblätterpilzes um einen Grünen Nicht-Knollenblätterpilz oder um einen Nicht-Grünen Knollenblätterpilz, eventuell gar um einen Grünen Knollenblätter-Nicht-Pilz handelt.

 

Diese Überlegungen betreffen natürlich auch das Ens Mensch , bzw. sein Nicht- Ens-Gegenstück Nicht- Mensch. Es ergibt sich die Frage, inwieweit Menschen als Entes nicht-existieren können, etwa als Selige oder gar Heilige im Himmel, bzw. (viel interessanter), ob Nicht-Menschen, welche nicht existieren, diese Plätze einnehmen, vor allem aber, wie nicht existierende Menschen beschrieben werden können. Nicht unproblematisch ist in diesem Zusammenhang die Überlegung, dass neben nicht-denkenden Nicht-Menschen und denkenden Nicht-Menschen - einer formal-logistischen Theoreminversion nach Pool folgend - auch nicht-denkende Menschen (positive Realprobe!) existieren müssen. Das wäre im Sinne einer idealistisch-positivistischen Sichtweise sinnvoll, während die Hauptkonsequenz der Cartesianischen Überlegungen – die Existenz von denkenden Menschen (‚Cogito ergo sum‘) – bei genauer Betrachtung einer Realprobe nicht standhält.

 

Nicht zu verwechseln ist die Entität Nicht-Mensch mit dem Un-Menschen, wie in leicht verständlicher Form von I. Cunt, Inhaber des Konrad-Lorenz-Lehrstuhls in Kagrad, in seiner Kritik des allegorischen Komparativs dargelegt wurde. Auch der Unter-Mensch, so strikt abgelehnt von Frauen-Durchschauer und - Versteher Nietzsche, haben hier keinen Platz. Die methodischen Probleme beim Verständnis von, etwa, Nicht-Unter-Mensch vs. Über-Mensch, oder Unter-Mensch vs. Nicht-Über-Mensch übersteigen unsere Möglichkeiten in diesem kurzen Traktat.

 

Schon die Alten haben, so schmerzlich das sein mag, gegen die Grundregeln der Logik verstoßen. Die hilflos anmutenden Versuche, real existierende Entes mit verzerrten Schattenbildern gleichzusetzen und sie sogenannten Ideen (die angeblich eigentlichen Wahrheitsträger) zuzuordnen, sind bestenfalls amüsant. An sich wäre die Frage nach Nicht-Ideen ja wirklich wichtig: Entsprechen diese Nicht-Ideen den Zerrbildern an der Höhlenwand? Konsequenterweise würde das bedeuten, dass man ein Nicht-Mensch sein muss, um die Nicht-Ideen, also die Realität, in Form der Zerrbilder zu erkennen. Genau genommen widerspricht dies der Ideenlehre, nicht aber der Nicht-Ideenlehre, was die Verwirrung ubiquitär machen würde, ganz zu schweigen von der Ideen-Nicht- Lehre. Die Wichtigkeit dieser und verwandter Fragen wird aber von den Kindergartenphilosophen aus der Akademie und dem vorgeschalteten Gymnasium ignoriert. Das kommt davon, wenn sich Philosophen staatspolitischen statt grundlegenden Themata widmen.

 

Zu weiteren kaum lösbaren logischen Verwicklungen würde die Behandlung von Ens/Nicht-Ens-Problemen im Rahmen der Fächer der sog. Angewandten Philosophie (Psychologie, Soziologie, Sozialpädagogik u.ä. Unsinn) führen. Diskussionen, ob etwa das Ens Ich das Nicht-Ens von Es oder das Nicht-Ens des Über-Ich ist, führt ins Nichts, an sich der richtige Zielort. Ganz einfach und schnell könnte man dieses Problem dadurch lösen, indem man annimmt, dass die beiden Nicht-Entes des Ich, das Über-Ich und das Es, auf Grund dieser Definition eigentlich identisch sind. Dass Über-Ich und Es ohnedies immer dasselbe wollen, behauptet ja die moderne, mit den neuen 450-Tesla-MR- Geräten ausgestattete Hirnforschung seit längerem. Der geneigte Misosoph wird mir zustimmen, dass eine tiefergehende Betrachtung des Psychoanalytischen Modells (was ist mit Nicht-Es, Nicht-Über-Ich, Über-Nicht-Ich usw.?) lediglich Kopfschmerzen als Ergebnis vorweisen könnte, und soll Interessierten mit viel ungenützter Freizeit überlassen werden.

 

Nur scheinbar Interessantes hat die von Philosophen mit Recht so verachtete zu der hier bearbeiteten Thematik Physik beizutragen. Es ist ja beinahe schon Volksschullehrstoff, dass für jedes Elementarteilchen ein Anti-Teilchen existiert. Ein philosophisch Ungebildeter, ein Naturwissenschaftler etwa, wird annehmen, dass Anti-Teilchen die Paradigmata der Nicht-Teilchen wären. Das ist natürlich Unsinn, denn die aus Anti-Teilchen zusammengesetzte und beobachtbare Materie ist ja Anti-Materie und keine Nicht-Materie (Über die Beobachtung von und den Umgang mit Nicht-Entes siehe unten). Über das natürlich wichtige Ens Nicht-Anti-Materie (ist gleich Materie?) kann man mit Physikern mit ihren Ignorantenattitüden leider nicht diskutieren.

 

Und nun zur eingangs gestellten Frage, wie man Nicht-Entes, in unserem Fall Nicht-Schwammerl, sucht und gegebenenfalls auch findet. Das ist natürlich einmal von praktischer Bedeutung; eine Sauce aus Nicht-Gallenbitterlingen müsste einen Hochgenuss darstellen. Welche Parameter des Suchen und Findens von mykologischen Nicht-Entes, gezeigt anhand von Nicht- Schwammerln, gibt es? Einmal Finden durch Suchen, zum anderen Nicht- Finden durch Suchen: Wäre eine der beiden Möglichkeiten die gesuchte Lösung, könnte zum Unterschied zu einem Schwammerl, nie ein Nicht- Schwammerl gefunden werden. Das ergibt die pseudologische Analyse, und da deren Ergebnisse den Erwartungen entsprechen, kann sie vom philosophischen Standpunkt als richtig anerkannt werden. Obwohl von den beiden verbleibenden Möglichkeiten das Nicht-Finden von Nicht-Schwammerln durch Nicht-Suchen einen ästhetischen Appeal aufwiese (genau das spricht gegen diese Möglichkeit), so muss allein durch scharfes Nachdenken der Möglichkeit Finden durch Nicht-Suchen der Vorzug gegeben werden: Es bleibt also nur mehr die Kombination folgender Triaden als logisch unanfechtbar übrig:

 

• Schwammerl; Suchen; Nicht-Finden (Siehe Einleitung)

• Nicht-Schwammerl; Nicht-Suchen; Finden

 

Es ist also folgende These zu formulieren: Ein Nicht-Schwammerl kann nur durch Nicht-Suchen gefunden werden. Dieses logische Netzwerk gilt natürlich für alle Entes, eingeschlossen die Menschen, in ihrem Verhältnis zu ihren Nicht-Entes. Die Überlegungen zur menschlichen Existenz, bzw. Nicht-Existenz, haben ja im 20. Jahrhundert breiten Raum in der Philosophie eingenommen. Sie werden durch die Gedanken in diesem Aufsatz wesentlich erweitert.

 

Abschließend und zusammenfassend kann Folgendes gesagt werden: Anhand der hier vorgestellten Ideen und Gedanken zeigt sich, dass die Diskussion auch schwieriger Themata und komplizierter Fragestellungen, solange sie mit der nötigen Inkonsequenz gepaart mit lückenhaftem Wissen geführt wird, vernünftige und brauchbare Ergebnisse liefern kann. Die Philosophie, vor allem aber die Philosophen sind der unerschütterliche Beweis für diese Behauptung. Ansichten von Nicht-Philosophen sollten weiterhin ignoriert werden.

 

* Für Leser, die nur des Mittel- und Niederdeutschen (zusammengefasst als ‚Piefchinesisch‘) mächtig sind: Schwammerl ist gleich Pilz

 

** ‚Ens‘ ist das theoretisch so lauten müssende Präsenspartizip von lateinisch esse, ein philologischer Philosophen-Faux pas; soll heißen: das Seiende, das Wesen; gemeint ist das wesentliche im Seienden, das zugleich auch das Seiende im seinem Wesen, besser seiner Wesentlichkeit definiert. Wir überlassen es dem geneigten Leser, auf Basis dieser Definition den Begriff ‚Nicht-Ens‘ zu interpretieren.

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