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Der Wiener Diogenes

 

Die Philosophie der Genügsamkeit

„Difficile est saturam non scribere“ (Iuvenal, ca. 58-138)

In unserer Gesellschaft stimmt vieles nicht mehr, ein flaues Gefühl beschleicht uns, wenn wir an die Zukunft der Menschheit denken. Und keiner weiß Rat. Wo Politik und Expertentum versagen, wäscht uns ein am Rande der Gesellschaft Stehender, ein Sandler, den Kopf. Er spricht so manche Wahrheit unverblümt aus, denn er hat nichts zu verlieren.

Text-Auszüge:

 

Hömerl (Wirt „Zur Letzten Einkehr“): Wissen’s, der Kurtl ist wirklich a klasser Bursch, a netter Kerl, aber ausmachen können Sie sich nix mit ihm; er kommt, wann er will. Oder a net. Er sagt immer, die Zeit ist seine persönliche Sklavin und net umgekehrt, weil mit aner Sklavin kann er ja machen, was er will. A bisserl a Philosoph, der Kurtl. Aber er wird scho kommen, machen sa sich kane Sorgen, der kann Sie nämlich gut leiden.


Redakteur (Theodor Martini): Davon habe ich allerdings noch nichts bemerkt, sein Ton ist, wie soll ich sagen, etwas rau.
 

H: (setzt sich zu Theodor) Er sagt, weil Sie ihn net sekkieren mit „Wie bist denn so g’worden?“ oder „Wie kann man so leben?“ oder: „Ich hol dich da raus!“. Die Leut‘ glaum immer, sie tun ihm was Gutes, das is natürlich a Bledsinn. Er waaß scho genau, was er wü! Irgendwie hat er das G’fühl, Sie und scheinbar a Ihre Kollegen respektieren ihn als Person und daher auch seine Entscheidungen, und des is er net g‘wöhnt. Er brauch sei Freiheit, die geht ihm über alles. Im Großen wie im Klan, wenn Sie wissen, was i mein. Früher hat er immer g’sagt: „I könnt’s ja anders ham“. Na ja, des hat vielleicht vor hübsch a paar Jahr‘ no g’stimmt, aber jetzt is z‘schpät, denk i ma halt, jetzt g’hört er unter die Bruck’n, wie ma so sagt bei uns.


Blöd is er ja net, überhaupt net. Der war ja im Gymnasium, glaub i, und lesen tut er fast den ganzen Tag. Und was glauben’s, was die Leut Biachln weghaun? Tonnen! Liebesromane und so an Mist, aber a über die Pharaonen, und dass immer haaßer wird auf der Wöd. Urgeil is ja die G’schicht von der Katz: Da dazöht aner, dass a Katz gibt, und die is jetzt entweder tot oder lebendig, oder irgendwie beides zugleich. Wenn aner aber genau hinschaut, was die Katz jetzt wirkli is, tot oder lebendig, dann ist sie entweder tot oder lebendig. Oder tot und lebendig? Ganz versteh i‘s net, aber es is jedenfalls sehr interessant. Besonders cool find i die G’schicht von der Astrologie und dem Urknall, oder dass wir alle eigentlichen Affen san. Nur Computer greift er kane an, die hasst er. Er sagt, wer sich mit denen einlasst, der wird beherrscht von ihnen, und du machst dann nur mehr des, was die wollen, und du hast deine Freiheit verloren, wie g‘sagt. Jahrelang hat er sich geweigert, sich a Handy zuzulegen. Jetzt hat er ans, das is aber dauernd ausg’soffen. Ich glaub, das macht er absichtlich, damit er sei Ruh hat. Herr Dokter, woll’ns net no a Vierterl, wir ham da an Grünen, der is so trocken, der ätzt des Glas. Ideal für Diabetiker. 75 Cent des Viertel.

Kurtl philosophiert


Kurtl: Nur, damit du’s a wirklich siagst, wie deppert die Leit san: Do gibt’s jetzt a Geld, des is a Geld, aber in Wirklichkeit is‘ kaans. Du kannst es net angreifen, und wenn’st du’s brauchst, dann host kaans, weil es is ja ka Geld in Wirklichkeit, und de Leberkassemmel vom Pepihacker, die kannst da aufzeichnen. Da gibt’s a paar Schlaue, die handeln mit Luft, und die Luft is des, was vorher dei Geld war. Es hat zwar niemand was, was an echten Wert hat, aber es gibt Gebühren, und die zahlst du. Die Leit san so was von ang‘schütt, die merken gar net, dass pflanzt wern, und des auf ihre eigenen Kosten. Recht g’schicht ihnen, den Drottln.


Redakteur: Sie meinen offenbar die Bit-Coins. Woher wissen Sie eigentlich das alles, das ist ja nicht gerade Ihr, äh, Fachgebiet, würde ich meinen. Wieso glauben Sie, dass Sie...


KK: Du glaubst scheinbar wirkli, du bist der Anzige auf der Wöd, der lesen kann. Hab i da do glei g’sagt. Also her zu: I brauch ja was zum Unterlegen auf der Parkbank oder auf dem oiden Lieferwogn, dort hinten auf’m Autofriedhof. Na, und jetzt im September, da wird’s scho a bißl kühler auf d’Nacht, da brauch i was zum Zudecken. Zeitungen san ned schlecht für sowas. Na, und die Zeitungen, die lies i halt alle, von vorn bis hinten, Zeit hab i ja gnua. Und wenn’st a bißl über des, was du da liest, nachdenkst, dann kummst drauf, dass für jedes Problem, des wir Menschen ham – und wir ham gnua – es mindestens an gibt, der die Lösung kennt und mindestens zwa, die sie verhindern. Oder du kannst a sagen, mir alle san doppelt so deppert wie g’scheit. Hört si zwar komisch an, stimmt oba. Manchmal hast des G’fühl, des beste wär’s eh, mir sterm aus, und zwar bald, bevor ma no mehr Schaaß zamdrahn.

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